MPU-Ratgeber und Cannabis-News
12.04.2023
Eckpunkte eines 2-Säulen-Modells:
1. Privater & gemeinschaftlicher, nicht-kommerzieller Eigenanbau
2. Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten
Auf der Grundlage des Koalitionsvertrages 2021 hat die Bundesregierung Eckpunkte zur Einführung
einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften vorgelegt. Ziel ist dabei, die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, den Jugendschutz und Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten bestmöglich zu gewährleisten sowie den Schwarzmarkt einzudämmen.
Wie in den Eckpunkten ausgeführt hat die Bundesregierung dabei auch die europa- und völkerrechtlichen Vorgaben geprüft und bewertet und bereits im Eckpunktepapier verdeutlicht, bei der
Umsetzung des Koalitionsvorhabens dessen völker- und europarechtlichen Rahmen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund haben sich die im Cannabis-Projekt engagierten Bundesministerien Ende 2022 mit der EU-Kommission in Brüssel ausgetauscht und entsprechend der
fachlichen Zuständigkeiten ihre Erkenntnisse in die laufenden Arbeiten und Abstimmungen der
Bundesregierung eingebracht.
Das Ergebnis der Abstimmungen ist eine Weiterentwicklung des Eckpunktepapiers hin zu einem
2-Säulen-Modell in Stufen: „Club Anbau & Regional-Modell“ mit folgenden Elementen, die auf
andere Beispiele in der Europäischen Union Bezug nehmen:
1. Säule: Privater & gemeinschaftlicher, nicht-kommerzieller Eigenanbau
Nicht-gewinnorientierte Vereinigungen dürfen unter engen, klar definierten gesetzlichen
Rahmenbedingungen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder
für den Eigenkonsum abgeben. Die Mitglieder sollen möglichst aktiv in der Vereinigung mitwirken. Eine Mitwirkung von Mitarbeitenden der Vereinigungen beim Anbau ist zulässig, eine
Beauftragung Dritter mit dem Anbau wird hingegen ausgeschlossen.
Die Rahmenbedingungen für den Umgang werden in einem gesonderten Gesetz geregelt.
Neben dem geernteten Genusscannabis dürfen an die Mitglieder auch von der Vereinigung erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgegeben werden. Es wird geprüft, ob und
wie Saatgut und/oder Stecklinge für den privaten Eigenanbau zu Selbstkosten über die Vereinigungen bezogen werden dürfen, ohne dass die Mitgliedschaft in einer Vereinigung dafür Voraussetzung ist.
Zulassung und Überwachung erfolgen durch Landesbehörden u.a. in Bezug auf die Einhaltung
der Mengen-, Qualitäts- und Jugendschutzvorgaben und mit Stichproben und Besuchen vor
Ort. Personenbezogene Daten, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Genusscannabis,
Samen und Stecklingen an Mitglieder von den Vereinigungen erhoben wurden, dürfen nicht an
unbefugte Dritte weitergegeben oder zu anderen Zwecken verwendet werden. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinigungen ist untersagt.
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Bußgelder, Zulassungsentzug bzw. Geld-/Freiheitsstrafen bei mehrfachen Verstößen sind
möglich.
Anbau- und Erntemengen sind auf Bedarfsdeckung ausgerichtet. Es gibt Berichts- und Dokumentationspflichten zu erzeugten und abgegebenen Mengen. Es gilt ein Verbot des Im- oder
Exports von Genusscannabis.
Mitgliedsbeiträge decken die Selbstkosten, gestaffelt nach Abgabemenge (ggf. mit Grundpauschale und zusätzlicher Betrag je abgegebenem Gramm).
Die Anzahl der Mitglieder je Vereinigung wird auf max. 500 begrenzt mit einem Mindestalter
von 18 Jahren und Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Die Anzahl der
Vereinigungen kann nach Bevölkerungsdichte begrenzt werden.
Eine Führung der Vereinigung ist nur durch natürliche Personen möglich, deren Zuverlässigkeit
überprüft wurde. Die Vereinigung wird nach den Grundsätzen des Vereinsrechts geleitet. Eine
persönliche Haftung des Vorstands der Vereinigung bei Vermögensschäden oder der Verletzung
von behördlichen Auflagen soll nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit erfolgen.
Die Beschaffung von Saatgut für den (Erst-)Anbau in den Vereinigungen wird ermöglicht. Die
Importmöglichkeit von Saatgut aus Drittstaaten wird geprüft.
Die Abgabe des geernteten Cannabis (Blüten) ist ausschließlich an Mitglieder erlaubt; keine
Weitergabe an Dritte; max. 25g Cannabis pro Tag, max. 50g pro Monat, max. 7 Samen oder 5
Stecklinge pro Monat. Die Abgabe an Heranwachsende unter 21 Jahren ist begrenzt auf eine
Menge von 30g pro Monat, zusätzlich mit einer Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts (Grenze
noch zu klären). Dies sollte sich in der Sortenauswahl widerspiegeln.
Es wird geprüft, ob und wie Samen und Stecklinge zur Qualitätssicherung zwischen Vereinigungen unentgeltlich getauscht werden können.
Für gemeinschaftlichen Eigenanbau gelten Qualitätsvorgaben (insbesondere Verbot von Zusatzstoffen oder Beimengungen wie z.B. Tabak oder Aromen, Vorgaben zu Pflanzenschutzmitteln,
keine synthetischen Cannabinoide).
Eine Abgabe erfolgt nur in Reinform (Blüten oder Harz) in neutraler Verpackung oder lose mit
beigefügten Informationen zu Produkt (Sorte, einschließlich deren üblicher durchschnittlicher
THC-Gehalt und Gehalt anderer Cannabinoide wie CBD), Dosierung und Anwendung sowie zu
Risiken des Konsums und Beratungsstellen.
Konsum in den Räumlichkeiten der Vereinigung ist ebenso verboten wie der öffentliche Konsum nahe Schulen, Kitas o.ä. sowie in Fußgängerzonen bis 20 Uhr.
Es gilt gleichzeitig ein Verbot der Ausgabe von Alkohol, Tabak oder anderen Genuss- und
Rauschmitteln.
Der Zutritt ist nur erlaubt für Erwachsene mit einer strikten Pflicht zur Alterskontrolle.
Es gelten Auflagen zu Jugendschutz und Prävention: Von der Vereinigung zu ernennende
Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte haben nachgewiesene Sachkenntnisse; es
gibt eine verpflichtende Kooperation mit der lokalen Suchtpräventions- bzw. -beratungsstelle
und einen Mindestabstand zu Schulen, Kitas o.ä.
Es gilt ein allgemeines Werbeverbot für die Vereinigungen und für Cannabis. Zulässig sind sachliche Informationen.
Mindestschutzmaßnahmen (z. B. einbruchsichere Räumlichkeiten, Umzäunung) verhindern
einen Zugriff unbefugter Dritter.
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Straffreier Besitz (Mitführen in der Öffentlichkeit) ist möglich zum Eigenkonsum bis 25g; es
gelten Strafvorschriften für darüber hinaus gehenden Besitz, für Handel und Abgabe an NichtMitglieder sowie Kinder und Jugendliche sowie für die Abgabe von nicht in den Vereinigungen
selbst angebautem Cannabis.
Die Grenzwerte im Straßen-, Schiffs- und Luftverkehr werden unter Einbeziehung der einschlägigen Fachgremien überprüft. Regelungen über die Zulässigkeit von Fahrten unter Einfluss
von Cannabis orientieren sich dabei ausschließlich an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit.
Der straffreie private Eigenanbau umfasst max. 3 weibliche blühende Pflanzen und ist vor dem
Zugriff durch Kinder und Jugendliche zu schützen.
Es wird ermöglicht, Verurteilungen, die ausschließlich wegen Handlungen im Zusammenhang
mit Cannabis eingetragen sind, für die das Gesetz künftig keine Strafe mehr vorsieht (Besitz bis
25g/Eigenanbau bis max. 3 weibliche blühende Pflanzen), auf Antrag aus dem Bundeszentralregister löschen zu lassen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden laufende Ermittlungs- und
Strafverfahren zu diesen Handlungen durch die bereits in der StPO vorgesehenen Möglichkeiten beendet.
Der Anwendungsbereich des Bundesnichtraucherschutzgesetzes wird auf das Rauchen von
Produkten in Verbindung mit Cannabis erweitert; ein darüberhinausgehender Nichtraucherschutz entsprechend der Regelungen für Tabak muss sichergestellt sein.
Die Teilnahme an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen für Minderjährige, wenn sie
Cannabis besitzen oder konsumieren, ist verbindlich.
Nach 4 Jahren erfolgt eine Evaluation der Vorgaben zur Säule 1 mit dem Ziel der Prüfung evtl.
Anpassungen hinsichtlich Gesundheits- und Jugendschutz sowie Zurückdrängung des Schwarzmarkts.
Ergänzend sind die im Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 formulierten Maßgaben zum
Jugend- und Gesundheitsschutz umzusetzen. Beabsichtigt ist, dieses Regelungsvorhaben so auszugestalten, dass keine Notifizierungspflicht und keine Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates
ausgelöst wird.
2. Säule: Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten
Die zweite Säule setzt im nächsten Schritt auf dem Weg zu einer bundesweiten Regelung die
weiteren Ansätze aus dem Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022 einschließlich einer Evaluation
als wissenschaftlich konzipiertes, regional und zeitlich begrenztes Modell um: Unternehmen wird
die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene
in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglicht. Mit dieser Säule können die
Auswirkungen einer kommerziellen Lieferkette auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den
Schwarzmarkt wissenschaftlich untersucht werden.
Die Projektlaufzeit beträgt 5 Jahre ab eingerichteter Lieferkette.
Es gilt eine räumliche Begrenzung auf Abgabestellen und erwachsene Einwohner bestimmter
Kreise/ Städte in mehreren Bundesländern (Opt-in-Ansatz).
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Im Rahmen des Gesetzes wird eine Zulassung der Abgabe von Edibles unter Wahrung strenger
Jugend- und Gesundheitsschutzvorschriften geprüft.
Das Modell wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Erkenntnisse werden den
Europäischen Partnern und der EU-Kommission zur Verfügung gestellt.
Auch der Gesundheits- und Jugendschutz folgt dem Eckpunktepapier vom 26. Oktober 2022.
Dieser Teil des Vorhabens ist voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig.
3. Weiteres Verfahren
Bei der Umsetzung des 2-Säulen-Modells legt die Bundesregierung dessen völker- und europarechtlichen Rahmen zugrunde. Sie wird sich gegenüber den entsprechenden VN-Gremien auf die
1993 bei der Ratifizierung des UN-Abkommens aus 1988 abgegebene Interpretationserklärung
berufen und eine Stellungnahme abgeben, mit der sie das Vorhaben als mit dem Zweck und den
rechtlichen Vorgaben der VN-Übereinkommen vereinbar erklärt. Zudem wird es auf eine enge und
transparente Abstimmung mit den Europäischen Partnern ankommen.
Die Bundesressorts gehen bei allen Teilen des Vorhabens im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit
unter Gesamtfederführung des BMG arbeitsteilig vor. Beide Säulen fließen ein in konkrete Gesetzentwürfe, wobei der Arbeitsentwurf zur Säule 1 Anfang April 2023 vorgelegt wird, danach der Gesetzentwurf zur Säule 2. Die Ergebnisse des bereits beauftragten wissenschaftlichen Gutachtens zu
den Auswirkungen der Legalisierung von Genusscannabis auf den Gesundheits- und Jugendschutz
in anderen Staaten werden bei beiden Säulen berücksichtigt.
Parallel setzt die Bundesregierung (insbesondere über die Auslandsvertretungen) ihre Bemühungen
fort, für ihre Ansätze bei den europäischen Partnern zu werben und dabei auch zu prüfen, inwieweit
die Initiative einer ausreichenden Zahl von EU-Mitgliedstaaten möglich sein wird, um mittelfristig
den einschlägigen EU-Rechtsrahmen zu flexibilisieren und weiterzuentwickeln.
Autor_RS - 13:58:40 @ Cannabis NEWS, Politik | Kommentar hinzufügen
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